Christa Lage - Joachim Buse
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Die große Freiheit?

Anfang der 70er Jahre las ich in einem Magazin einen Bericht eines Reisenden, der begeistert über seine Fahrten durch Europa mit einem zum Wohnen ausgebauten VW-Bully berichtete. Beeindruckend fand ich unter anderem seine Schilderung einer Übernachtung unter dem Eiffelturm in Paris. Sich in Stadt und Land frei zu bewegen und immer sein Zuhause dabei zu haben und damit der lästigen Suche nach Hotel oder Pension zu entgehen,  diese Vorstellung hat auch mich begeistert.

So ging ich 1972 wild entschlossen zum Autohändler in Hamburg und kaufte einen VW-Bully mit Westfalia-Ausbau.  Eine zum Bett ausziehbare Rückbank, ein Isolierschrank zum Kühlen mit Eis oder gefrorenen Kühlelementen,  eine Spüle mit Handpumpe, ein ausklappbarer Gaskocher und ein Hubdach,  dank dessen man seine Hose auch im Stehen aus- und anziehen konnte,  das war zu der Zeit ein Luxus - verbunden mit großer Mobilität - , der dem Campen eine neue Dimension gab. 

Zu der Zeit gab es aufgrund der geringen Zahl solcher Mobile noch wenige Restriktionen.  Ein gutes Beispiel für den Wandel in dieser Hinsicht ist die dänische Insel Romö.  Ohne Einspruch der Polizei konnten wir in den 70er Jahren im Hafen von Havneby, auf dem großen Parkplatz in Lakolk oder sogar auf dem kilometerlangen, befahrbaren Strand irgendwo zwischen Schafherden übernachten. Im Laufe der Jahre fanden immer mehr Leute Gefallen am Reisen mit dem Wohnmobil und unsere Freiheit wurde Schritt für Schritt eingeschränkt. Heute muss man als Wohnmobilist die Insel um 22:00 Uhr verlassen haben oder auf einem Camping- oder Wohnmobilstellplatz stehen.

Angesichts des gewaltigen Aufkommens an Wohnmobilen in den letzten 25 Jahren ist diese Entwicklung natürlich verständlich und logisch. Unsere Freiheit wurde für Umwelt, Anwohner und Wirtschaft in den Touristengebieten zur Belastung. Da die Städte und Gemeinden aber die Wohnmobilisten auch als gewinnbringenden Wirtschaftsfaktor erkannten, wurden im großen Stil entsprechende Infrastrukturen geschaffen. So finden wir heute ein dichtes Netz von meist kostenpflichtigen Stellplätzen mit Ver- und Entsorgung und Stromanschlüssen vor. Auf diesen Plätzen stehen wir dann oft zwischen Mobilen von monströser Größe und trauern den alten Zeiten der Anfänge nach. Das ist aber nun mal Fakt im Zeichen des Massentourismus. Dennoch sind wir auch heute noch gerne in dieser Weise unterwegs und genießen die relative Unabhängigkeit. Bei sorgfältiger Auswahl von Zeitraum und Ziel der Reisen kann man den Massen auch oft aus dem Weg gehen. Auch spontane Kurzreisen bei gutem Wetter in unsere nähere Umgebung ohne Buchungen oder Anmeldungen sind eine willkommene Abwechslung in unserer arbeitsfreien Lebensphase.

Das Ende der großen Freiheit!

Mit der Corona-Pandemie in der jüngsten Vergangenheit erlebten Wohnmobile in Deutschland eine bis dahin beispiellose, explosive Nachfrage, weil Auslandsreisen lange Zeit nicht möglich waren. Im Jahr 2021 begegneten uns immer mehr Wohnmobilisten auf unseren Straßen. Aus den Medien erfuhren wir, dass sich die Wartezeiten bei Herstellern und Händlern vervielfachten. Aber auch nach der Pandemie ist der Boom noch nicht vorüber. Die Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zeigten, dass der Wohnmobil-Bestand in Deutschlands 50 größten Städten zwischen 2022 und 2023 um rund neun Prozent anstieg. Camping hat sich mittlerweile zu einem Massenphänomen entwickelt. Der Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland meldet rund 40 Millionen Übernachtungen in 2022.

Damit sind für uns die Vorteile des Reisens mit dem Wohnmobil verloren gegangen. Die oben genannten spontanen Kurzreisen bei gutem Wetter in unsere nähere Umgebung ohne Buchungen oder Anmeldungen sind nicht mehr möglich. Jetzt gilt es, frühzeitig einen Stellplatz zu buchen und ggf. auch eine Anzahlung zu leisten. Als Teilnehmer an solch einem Massentourismus fühlen wir uns nicht mehr wohl. Aus diesem Grund haben wir unser Wohnmobil verkauft.